Erster Auswärtskampf ein wenig unsouverän
Das Ergebnis von 5:3 gegen eine nominell eher schlechtere
Mannschaft sieht nicht so gut aus. Wichtig ist in erster
Linie aber, dass wir beide Mannschaftspunkte nach Marmstorf
mitgenommen haben, auch wenn der Mannschaftsführer der Gastgeber
sich dies in seiner Ansprache anders gewünscht hatte. An
unserem Sieg hatte ich während des gesamten Kampfes allerdings
nicht gezweifelt. Dennoch musste ich an dem einen oder anderen
Brett unsouveränes Handeln feststellen, was auch in der
nachträglichen Analyse der Partien zutage trat.
Winfried konnte als erster erhobenen Hauptes die Ziellinie
erreichen. In seiner Partie spielte sein junger Gegner offensiv.
Winfried ließ sich davon nicht beeindrucken und wählte einen
sicheren Aufbau gegen e4 und f4. Als Weiß mit e5 zur Attacke
blies, folgte ein langer Abtausch von Bauern und Leichtfiguren.
Am Ende musste Weiß beim durchzählen der Figuren feststellen,
dass dies doch gar kein Tausch war, sondern ein Figurenverlust
für ihn darstellte. Im 26. Zug konnte Winfried dann Matt
setzen und nicht nur er war darüber sehr erfreut.
In meiner Partie fand ich ziemliche Langeweile vor. Das
lag sicherlich auch an mir, denn ich führte die weißen Steine,
aber ich fand am Brett auch keine actiongeladenen (gewinnbringenden!)
Alternativen und so spiegelte die Schlussstellung das Ergebnis
der Punkteteilung wieder.
So blieb mir Zeit, die noch ausstehenden sechs Partien
zu betrachten und ich sah kaum eine Partie, in der ich mir
Sorgen machen musste. Die machte ich mir nur bei Uwes Zeit
und gegen so einen erfahrenen Gegner, wird das dann auch
zu einer Sorge um die ganze Partie. Doch Uwe ist ein Kämpfer
und spielte noch lange.
Kolja hatte ein Remisangebot. Da es zu diesem Zeitpunkt
an den hinteren Brettern gut aussah und wir ja mit einem
Punkt führten, überließ ich Kolja die Entscheidung und seinem
Gefühl. Häufig weiß man selbst gut, ob man noch kneten kann
oder ob einem dafür die Inspiration fehlt. Vielleicht mag
der Läufer gegen den Springer in der Endstellung die bessere
Figur sein. Dafür ist aber die Situation der Bauern (2 gegen
1 und 3 gegen 2 an verschiedenen Flügeln) schwer abschätzbar.
Die Schachprogramme sehen zu diesem Zeitpunkt einen sehr
minimalen Vorteil für Kolja. Mir blieb dieser – wie wohl
auch Kolja – verborgen und so nahm er das Remis an.
Danach tat sich lange Zeit nichts. Manfred hatte die
kleine Qualität mehr und stand besser. Gerhard hatte lange
Zeit einen Bauern mehr und stand besser. Bodo und Markus
standen ausgeglichen, ggf. auch mit Vorteilen, aber es war
noch nicht klar, ob sie denn gewinnen könnten. Und Uwe mühte
sich gegen Zeit und Gegner.
Bei Gerhard ereignete sich dann einiges auf dem Brett.
In dieser Stellung übersah er den Gewinn:
Dahle, G. – Herrmann, S. GER - chT HH
Kreisliga A Hamburg (2.5), 05.02.2016
Schwarz zog soeben 21. … Se6.
Mit einem beherzten 22. Txe6 hätte Weiß Vorteil erlangt
(22. … Kxe6 23. Te1+ Kd6 24. c5+ Kd5 25. Txe7).
Die weitere Partie ist dem Autor bekannt und natürlich
auch Gerhard. Es sei so viel verraten: Am Ende hatte Schwarz
nicht mehr ausreichend Material zum Matt setzen und das
Remis war gemessen am Partieverlauf das unwahrscheinlichste
aller drei möglichen Ergebnisse.
Spannend wurde es aber dennoch nicht mehr. Dafür sorgte
u.a. Bodos Gegner, der schon in der Eröffnung Schwierigkeiten
hatte, die korrekte Abwicklung zu spielen (7. … Sxe5 sichert
schon schwarze Vorteile). Nach dem notwendigen Verzicht
auf die Rochade hatte Bodos Gegner noch mehr Probleme auf
dem Brett. Diese besserten sich auch nach dem Damentausch
nicht. Umso erstaunlicher war der offensive Zug f4, der
zunächst für einen Bauernverlust und später auch dazu führte,
dass Bodo eine Qualität gewinnen konnte. Am Ende brachten
die beiden Türme den in die Mitte des Brettes geflohen König
zur Strecke.
Manfred spielte eine gute Partie. Sich in dieser selbst
zu belohnen, darauf schien er aber freiwillig zu verzichten.
Zunächst ist an dieser Partie auffällig, dass erst im 15.
Zug erstmals eine Figur geschlagen wurde (ein schwarzer
Läufer auf a7). Beide Parteien pflegten einen eher zurückhaltenden
Stil. So zog Manfreds Gegner dann den Turm auch in passiver
Absicht wieder auf die Grundreihe zurück und ließ es damit
zu, dass Manfred Springer und Läufer für einen Turm bekam
und zudem die einzig offene Linie kontrollierte und diese
– wie bei Mühle – mal auf und mal zu machte. In der Endstellung
sieht jedes Schachprogramm einen nicht unerheblichen Vorteil
für Manfred. Allerdings hatte er für die Schnellschachphase
weniger Zeit. Möglicherweise mangelte es auch an einem konkreten
Plan, um den Sieg einzutüten. Das Remis machte zwar nichts
kaputt, aber ich hätte mir für Manfred gewünscht, dass er
die Partie gewinnt.
Markus hatte nun, beim Stand von 4:2 für uns ein Remisangebot.
Er lehnte es ab. Das sind immer die Momente im Leben eines
Mannschaftsführers, die man braucht, um seinen Adrenalinhaushalt
mal wieder kräftig durcheinander zu würfeln. Inzwischen
war nämlich abzusehen, dass Uwe seine Partie verlieren würde
und ich hatte keine Ahnung, wie Markus mit der schlechteren
Zeit das Leichtfigurenendspiel gewinnen wollte. Ich war
der Ansicht, dass bei hartnäckiger Passivität von Schwarz
Markus nicht gewinnen konnte. Die Analyse mit dem Computer
belehrt mich zwar jetzt etwas anderes, aber das muss man
am Brett auch erst einmal sehen und umsetzen. Seine Chance
hatte Markus übrigens schon im 24. Zug, als er einen Bauerngewinn
hätte einfahren können. Ich bin mir sicher, er hat die Variante
berechnet, denn er verbrauchte dort einige Zeit, aber möglicherweise
hat er etwas gesehen, was ihn davon abhielt. Wie dem auch
sei, sein Gegner versuchte die offensive Verteidigung und
riskierte zu viel. Und dem anfangs hadernden Mannschaftsführer
wurde wieder warm um's Herz: Wir hatten gewonnen
Kurz zuvor hatte Uwe nach langem Kampf aufgegeben. Aus
dieser Partie habe ich nur eine Momentaufnahme, denn leider
sind seine Notationen so schwach durchgedrückt, dass ich
die Partie nicht vollständig erfassen konnte. Aber diese
Stellung blieb mir in Erinnerung:
Raedisch, Peter (1527-409) – Grove, Uwe (1632-62)
GER - chT HH Kreisliga A Hamburg (2.2), 05.02.2016
In dieser Stellung gab es mit Sd5 eine schöne Möglichkeit
die Partie frühzeitig zu entscheiden. Offenbar war ich aber
wohl der einzige im Raum, der dies sah. Als Weiß dann den
Turm nach a6 zog, keimte bei mir nochmal gaaaanz kurzfristig
die winzige Hoffnung auf, dass Weiß vielleicht doch den
Faden verlieren würde. Aber er spielte die Partie dann sicher
nach Hause.
Unter dem Strich zählen die beiden Mannschaftspunkte.
Es war sicherlich mehr drin und der eine oder andere hätte
auch einen Sieg beisteuern können, vielleicht sogar müssen.
Da der Kampf aber zu keinem Zeitpunkt diesen vollen Punktgewinn
erforderte, kann man dies entspannt sehen.
Damit sind wir nach Runde 2 geteilter Erster gleich mit
zwei anderen Mannschaften (NTSV 3 und HSK 17). Ärgerlich
wäre es, wenn am Ende doch noch Brettpunkte für eine entscheidende
Platzierung maßgeblich wären, aber so weit denke ich jetzt
noch nicht.
(Stephan Barz, 06.02.2016)
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