Landesliga 23/24

SK Marmstorf - Großhansdorf 6:2

Samstag, den 27.04.2024
Spielort: Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg, Alter Teichweg 200, 22049 Hamburg


Erfolgreiches Abschlusswochenende - Teil 1

Vor dem Abschlusswochenende der Saison 2023/2024 sah die obere Tabellenhälfte der Landesliga so aus:

1.

SV Großhansdorf

7

14

36½

163

2.

SK Marmstorf

7

11

34

167

3.

FC St. Pauli III

7

8

28½

123½

4.

Hamburger SK V

7

8

27½

122

5.

SK Union Eimsbüttel

7

7

30

131½

Großhansdorf hatte also bis dahin alle seiben Wettkämpfe gewonnen und dabei im Schnitt fast 5,5 Punkte geholt. Das Ligaorakel aus Bad Homburg errechnete damit mit 95,9 % Wahrscheinlichkeit den Meistertitel und Aufstieg der Stormarner, den offensichtlich allein wir noch rechnerisch gefährden konnten. Mut machte uns ein bislang unbekanntes alternatives Orakel aus Harmstorf, das sich kurz nach der siebten Runde zu Wort meldete und bekannt gab, dass es bei seiner Prüfung der wahrscheinlichen Ausgänge der letzten Wettkämpfe zum gegenteiligen Ergebnis kam: Marmstorf werde mit hoher Wahrscheinlichkeit den Aufstieg erreichen. Eine gewagte Behauptung, zumal abzusehen war, dass Großhansdorf seine bereits so erfolgreiche Mannschaft am Abschlusswochenende noch um die ungarische Internationale Meisterin (gemeint ist damit der Männertitel) Anita Gara verstärken würde, weil sie dies seit 14 Jahren immer gemacht hatten, wenn ein Doppelrundenwochenende anstand.

Die Paarungen für das Abschlusswochenende ließen jedenfalls noch Spannung erwarten. Denn Großhansdorf sollte am Sonnabend im Spitzenspiel auf uns und am Folgetag auf den Titelverteidiger St. Pauli III treffen, während wir es am Sonntag mit Union zu tun bekommen würden. Bei uns hat Friedrich wie schon in der siebten Runde auch am Abschlusswochenende Jan Hendrik ersetzt, ansonsten waren die Stammspieler komplett. Auch Großhansdorf trat in der erwarteten Aufstellung an. Dabei stellte sich heraus, dass der Mannschaftsführer unserer Gäste, Thorsten Limbach, in der achten Runde zum achten Mal Weiß erhielt. Ebenso hatte Joachim Felten ausschließlich Weißpartien gehabt, während die Spieler Dr. Ennenbach und Varain in der gesamten Saison nur Schwarzpartien spielten.

Während wir in der Landesliga üblicherweise einen deutlichen nominellen Vorteil an den vorderen Brettern haben, sah die Situation gegen Großhansdorf anders aus. Immerhin spielt dort am ersten Brett Großmeister Matthias Wahls, der in den 90er Jahren zweimal Deutscher Meister war und trotz einer langjährigen Schaffenspause am Spieltag noch immer in Deutschland auf Platz 22 der aktiven Spieler lag. (Zum Vergleich: Jonathan war zum gleichen Zeitpunkt die Nr. 94) Auch am zweiten Brett war Großhansdorf leicht favorisiert, während wir an den Brettern dahinter die besseren Aussichten haben sollten. So kam uns das erste vermeldete Ergebnis, ein Remis von Kubi, durchaus gelegen. Wie so oft habe ich vom Verlauf des weiteren Wettkampfs bis kurz vor der Zeitkontrolle nicht viel mitbekommen. Meine Stellung war zwar in Ordnung, die Planfindung aber etwas schwierig, so lange mein Gegner sich nicht festgelegt hatte, in welche Richtung er rochieren würde und als er sich endlich für eine lange Rochade entschieden hatte, fehlte mir schon etwas die Zeit, um mich darauf korrekt einzustellen. Hinzu kam, dass mein Gegner nacheinander einen Bauern, einen Läufer und einen Turm opferte, was ich alles zu spät oder gar nicht gesehen hatte, und ich danach völlig in den Seilen hing.

Glücklicherweise sah Christophs Partie am Nebenbrett, die ich als einzige in dieser Phase regelmäßig mitbekam, sehr viel besser aus, denn er war aus einem Damengambit mit Raumvorteil am Damenflügel hervorgegangen, stand durchgehend angenehm, gewann Material und damit auch die Partie. Immerhin hatte ich durch eine Serie erzwungener Züge sehr bequem die Zeitkontrolle erreicht und konnte damit auch wieder den Blick über die anderen Bretter schweifen lassen. Zunächst sah ich, dass Matthias' Gegner, der mit 6 aus 7 bis dahin Topscorer der Großhansdorfer war, mit zwei Türmen und einem Läufer den freigelegten weißen König angriff. Das sah nicht gut aus und ich erwartete ein Läuferschach auf e3, das aber überraschenderweise nicht folgte. Damit war plötzlich der Angriff verpufft und die Partie für Matthias gewonnen. Jens hatte zwar im Endspiel ungleichfarbige Läufer bei jeweils noch einem Turm, am Damenflügel aber noch drei Bauern, die keinen Gegenüber mehr besaßen; das sah also sehr gut aus. Noch besser gefiel mir Friedrichs Stellung, der Materialvorteil und Angriff für sich reklamieren konnte. Wie immer war eigentlich nur die Frage, ob er den 40. Zug heil überstehen würde. Bei Michael und Jonathan war dagegen weniger klar, ob wir an den Brettern etwas würden holen können.

In meiner eigenen Partie ereignete sich in der Folge Kurioses, wie ich es in den vielen Jahren, die ich nun die Klötzchen schiebe, noch nicht erlebt habe. Ich fange mal mit dieser Stellung nach dem 44. Zug von Weiß an:

Paul, Anatolij - Hawellek, Jeronimo

Weiß hat gerade 44.f5 gespielt. Offenkundig leiden meine Erfolgsaussichten an der sehr ungleichen Anzahl der Bauern, so dass ich schon zu Christoph gesagt hatte, dass mich das ganze mehr an eine Horde-Partie bei Lichess erinnere. Zu allem Überfluss droht Weiß Matt mit Dh5+, Dg6+ und anschließend Dh6# und dagegen kann Schwarz nichts Sinnvolles mehr unternehmen. Meine einzige Hoffnung bestand darin, dass ich noch ein Patt herbeiführen könnte, was in der aktuellen Stellung auch möglich wäre, wenn der schwarze Bauer bereits auf a4 stünde. (Schwarz würde dann 44...Ta1+ 45.Kxa1 Tg1+ 46.Ka2 Ta1+ 47.Kxa1 cxb2+ spielen und spätestens nach 48. Ka2 b1D+ müsste Weiß auch noch die letzte schwarze Figur schlagen, die sich noch bewegen kann.) Dummerweise fehlte mir aber dafür ein Tempo, denn der Bauer stand ja noch auf a5. Also zog ich 44...a4 und erwartete nun, dass mich mein Gegner mattsetzen würde, wobei ich ein ganz kleines bisschen darauf hoffte, dass er stattdessen einen Zug wie z.B. 45. f6 spielte und mir doch noch die Gelegenheit gäbe, das obige Patt aufs Brett zu stellen. Überrascht musste ich aber feststellen, dass der Weiße sich für 45. Df6+ entschied und nach 45...Kh7 zu 46.bxc3?? griff. Die Stellung ist zwar noch immer für Weiß gewonnen, aber dieser Weg ist nun schon nicht mehr so einfach zu finden. Ich drohte mit 46...Tg2 ein Matt auf c2 und ging deshalb natürlich davon aus, dass Weiß mit 47. Kb2 deckt, wonach ich mal schauen wollte, ob mein Gegner nach 47... Tee2 (droht mit Schlagen auf c2 und anschließendem Dauerschach) überhaupt noch eine Gewinnfortsetzung finden würde. Das ist alles andere als einfach, weil das naheliegende 48. Df7+ Kh6 49. e8D+ Txc2+ 50. Kb1 Tb2+ 51. Kc1 Tgc2+ 52. Kd1 Td2+ 53. Ke1 Te2+ 54. Dxe2 Txe2+ nur zum Remis führt, da der weiße König den schwarzen Turm, der ihn überall auf der zweiten Reihe bzw. auf Ka1 nach b1 hin verfolgt, irgendwann schlagen wird, wonach die Partie wieder mit Patt endet. Mein Gegner, der anscheinend auch noch gesehen hatte, dass ich mittlerweile mit Tg7 den Bauern auf e7 abholen kann, gab zunächst noch das Schach 47. Df7+ und zog erst nach 47...Kh6 48. Kb2??.

Ich antworte wie geplant 48...Tee2?? und realisierte, nachdem ich den Zug ausgeführt hatte, was für eine Chance mir gerade entgangen war. Denn anders, als dies vor dem Damenschach auf f7 der Fall war, kann mein König jetzt nicht mehr ziehen. Ich hätte also nur noch das einfache 48...Tb1+ 49. Kxb1 Tg1+ 50. Kb2 Tb1+ 51.Ka2 Ta1+ 52. Kxa1 finden müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Eine malerische Stellung, die man in einer solch extremen Form nur äußert selten in seinem Schachleben erreichen kann. 

Zurück zum vorherigen Diagramm: Nach der Partiefortsetzung 48... Tee2?? endeten die wechselseitigen Irrungen und mein Gegner führte die Partie nun fehlerfrei mit 49. Df6+! Kh7 50.e8D! (die Dame ist ja wegen Df7+ indirekt gedeckt) zum Sieg. Der Unterschied zur obigen Variante ist, dass nun das Patt bereits aufgehoben ist, sobald eine der beiden Damen zieht. Der weiße Gewinnplan ist deshalb, mit dem König nach e1 zu ziehen, den Schwarzen damit zum Opfer eines der Türme zu zwingen, anschließend erneut nach e1 zu ziehen, wonach der verbliebene Turm die zweite Reihe freigeben muss und dann mit dem König aufs offene Brett zu rennen, um schließlich eine der beiden Damen zwischen den König und den ihn verfolgenden Turm zu stellen.

Nach diesem Drama wieder ein Blick auf die anderen Bretter: Friedrich hatte offenbar die Zeitkontrolle geschafft, jedenfalls gab es an seinem Brett einen weiteren Sieg. Jens stellte seinen Gegner vor die Wahl mit seinem König in ein Matt oder einen Doppelangriff zu laufen, der einen Läufer kostete. Dieser entschied sich für die letztere Variante, gab aber zwei Züge später auf. Damit war der Zwischenstand von 4,5:1,5 erreicht und wir hatten den ersten Schritt getan, um den Aufstieg doch noch möglich zu machen. Jonathan hatte im Leichtfigurenendspiel zwar einen Bauern weniger. Er konnte aber in ein Endspiel mit König und Springer gegen König, schwarzfeldriger Läufer, b- und a-Bauern abtauschen und den Springer gegen den b-Bauern opfern, so dass dem Großmeister nur noch der Läufer und der falsche Randbauer verblieben, die bekanntlich allein nicht gewinnen können. Jonathans spätere Analyse ergab, dass seine Stellung wohl lange Zeit verloren war, hier hatten wir also etwas Glück. Damit spielte nur noch Michael, der zwar zunächst darüber nachgedacht hatte, sein Endspiel mit Springer gegen Läufer bei jeweils fünf Bauern aufzugeben, dann aber die trickreichen Möglichkeiten, die der Springerzug bietet, voll ausschöpfte. Krönender Abschluss war die folgende Stellung, in der sich der Weiße darauf verlassen hatte, dass sein Angriff auf Springer und Bauern das remis sichern würde:

Felten, Joachim - Hohlbein, Michael

Mit 1...Sb6! (die richtige Zugnummer weiß ich nicht) bewies Michael, dass dies nicht so war. Wenn nun der Läufer zieht, kommt c4 und Weiß kann den Bauern nicht mehr erobern. Nach 2.Kxc5 Sxd7+ gewinnt Schwarz offensichtlich auch und nach 2. Kxb6 ist der weiße Läufer in der Folge c4 3. Kc5 c3 4. La4 h3 5.Kc4 h2 einen Zug zu spät, um den h-Bauern stoppen zu können.

Aufgrund des 6:2 Siegs hatten wir, wie ein Blick auf die oben wiedergegebene Tabelle zeigt, den Brettpunktenachteil mehr als ausgeglichen, so dass feststand, dass uns am folgenden Tag der Hamburger Meistertitel und der Aufstieg gelingen würde, wenn wir einen Mannschaftspunkt mehr als Großhansdorf holen würden. Die Großhansdorfer, die am Sonnabend schon Sekt dabeihatten, um ggf. auf den Aufstieg anstoßen zu können, hatten es aber noch immer selbst in der Hand, ob es am nächsten Tag statt Sekt Selters geben würde.

Während Jonathan und Matze schon zurückkehren mussten, um sich um die wildgewordenen Kinder bzw. Enkel zu kümmern, ließ der Rest des Teams zusammen mit den anwesenden Fans Uwe und KJ den Abend im nahegelegenen Steakhouse ausklingen. (JH/01.05.)


 

Ergebnis:

  SK Marmstorf 6-2 SV Großhansdorf
1 1 Carlstedt, Jonathan 2427 ½:½ Wahls, Matthias 2529 1
2 2 Kuberczyk, Christoph 2287 ½:½ Gara, Anita 2336 2
3 3 Hawellek, Jeronimo Dr. 2303 0:1 Paul, Anatolij 2068 4
4 4 Rammé, Christoph 2117 1:0 Spindel, Ulrich 2092 5
5 6 Hohlbein, Michael 1976 1:0 Felten, Joachim 2101 6
6 7 Bach, Matthias 2208 1:0 Ennenbach, Dr. Ralph 2107 7
7 8 Diekmann, Jens 2037 1:0 Limbach, Torsten 1959 8
8 9 König, Friedrich Theodor 1968 1:0 Varain, Ernst-Helmuth 2015 9



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