Ein 15-Jähriger auf Höhenflug


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Von Norbert Scheid

Benedict Krause gewinnt die 10. Harburger Stadtmeisterschaft im Schach und verweist Hauke Reddmann aus Wilhelmsburg auf Rang drei

Marmstorf. Auch den Fremden nimmt diese außergewöhnliche Atmosphäre gefangen. Man tritt leiser auf und beginnt zu flüstern, ohne dazu aufgefordert zu werden. Es sind zuerst die vielen Menschen, die einen fesseln. Dicht gedrängt sitzen sie in der Pausenhalle der Grundschule Marmstorf an langen Tischen. Kein Wort ist zu hören. Wenn ein Stuhl verrückt wird, einer der Spieler vor den Schachbrettern sich räuspert, das kleinste Geräusch wirkt wie Donnerhall. Insgesamt 64 Frauen, Männer und Jugendliche sind gekommen, um drei Tage lang in aller Stille mit Bauern, Dame und König um den Titel des Harburger Schachmeisters zu wetteifern.

Teilnehmer aus ganz Deutschland spielen in der Grundschule Marmstorf

"Die Teilnehmer an dieser 10. offenen Stadtmeisterschaft sind aus ganz Deutschland angereist", erzählt Uwe Growe, Steuerberater in Meckelfeld, zweiter Vorsitzender im Schach-Klub Marmstorf und Leiter dieses Turniers. Damit wir nicht flüstern müssen, sind wir raus auf den Schulhof gegangen. "Bei uns sitzen zwar keine Großmeister am Brett", sagt Uwe Growe über den Stellenwert dieser Meisterschaft. "Die Teilnehmer sind in elf Leistungsgruppen zu je sechs Spieler aufgeteilt. In der ersten, der A-Gruppe, muss man schon wirklich stark spielen können."

Wie beispielsweise Hauke Reddmann, der Vorsitzende des Wilhelmsburger Schachklubs von 1936. Der Chemiker an der Universität Hamburg wurde schon zweimal Hamburger Meister und hat sich in unzähligen Turnierstunden den Titel eines Fide-Meisters erworben. "Das aber", stellt der 51-Jährige aus Sinstorf klar, "ist der kleinste Meistertitel, mit dem man sich in unserem Sport schmücken darf. Darüber gibt es den Internationalen Meister und als höchstes den Großmeister."

Jonathan Carlstedt übrigens, der aus dem Klub in Marmstorf hervorgegangen ist, ist gerade zum Großmeister aufgestiegen. Er leitet in Lüneburg eine Schachschule und spielt für Wiesbaden in der Bundesliga.

Jeronimo Hawellek wiederum, Richter am Landgericht Hamburg und seit Jahren der stärkste Marmstorfer Spieler, hat bereits drei Mal die Harburger Stadtmeisterschaft gewonnen. Jetzt steht er in der kleinen Küche und nimmt flüsternd die Bestellung eines freundlichen Jungen entgegen.

Duell des Tages zwischen Supertalent und zweifachem Hamburger Meister

Benedict Krause heißt der 15-Jährige und über ihn wird hier in der Pausenhalle geraunt: "Von dem wird die Schachszene noch viel hören." Wenn das Supertalent aus Bargteheide sein Würstchen verzehrt hat, wird er wieder am Brett gegenüber des zweifachen Hamburger Meisters Platz nehmen. Benedict Krause, der 15-jährige auf Höhenflug im Kampf mit Hauke Reddmann - das ist das Duell des Tages.

Es ist irgendwie seltsam, die beiden zu beobachten. Der Mann vom SK Wilhelmsburg - erster Vorsitzender, Jugendwart, Lehrwart und Schachwart in einer Person - verschränkt die Arme oft vor dem Körper. Sein Blick aber ist nur auf das Brett, auf die Figuren gerichtet. Wenn Reddmann sich ablenken will, blickt er auf das Nebenbrett, aber nie den Jungen ihm gegenüber direkt an.

Der aber sorgt am Ende für die große Überraschung in der Grundschule Marmstorf und bezwingt den Favoriten. Wenn der Doktor der Chemie seine Niederlage mit den Worten kommentiert, "der Junge hatte Suppe, richtig Suppe" ist das keineswegs so überheblich gemeint, wie es für Nicht-Schachspieler klingen mag. "Es war ein harter Kampf", erläutert Hauke Reddmann, "aber ich habe mit dem 30. Zug einen saublöden Fehler gemacht und nach weiteren fünf Zügen hatte Benedict die Partie in der Tasche."

Aber Siege im Sport kommen doch häufig nur zustande, weil der Gegner einen Fehler macht. "Bei uns im Schach aber gibt es Spieler", klärt Reddmann den Außenstehenden auf, "die ärgern sich über Fehler ihres Gegenüber. Die verhindern nämlich, dass sie einen überlegenen, einen schönen Sieg feiern können. Ich gehöre auch zu denen, die sich nur über schöne Siege so richtig freuen können."

Benedict Krause, der aufgehende Stern im Hamburger Schach, hat dann auch diese offene Harburger Stadtmeisterschaft gewonnen. Zweiter wurde sein Vereinskollege Hartmut Porth und Dritter eben Hauke Reddmann, der Selbstkritische aus Wilhelmsburg. Der 51-jährige, der rund 80 Tage im Jahr bei Turnieren verbringt, spielt an diesem Wochenende mit einigen Schachkumpels Fußball. "Darauf freue ich mich mehr als aufs nächste Schachturnier", sagt er und lacht aus vollem Herzen.

Quelle: Hamburger Abendblatt, 18.08.2012


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