Abschlusswochenende Teil I
Wahrscheinlich hat der König (gemeint ist diesmal
nicht Friedrich) vor Beginn eines Wettkampf der ersten
Mannschaft noch nie so im Zentrum der Aufmerksamkeit
gestanden wie am 6.5.2023. Allerdings befand sich dieser
König in der Westminster Abbey und nicht im Alten
Teichweg, wo erstmals seit 2019 ein gemeinsames
Abschlusswochenende der Landesliga stattfand, nachdem
diese Veranstaltung zuvor coronabedingt mehrfach
ausgefallen war. So konnten wir auf der Hinfahrt nach
Dulsberg im Radio verfolgen, wie Charles III. allen
möglichen Plunder aus der königlichen Mottenkiste
anlegen durfte.
Die Ausgangslage für das Abschlusswochende hatte sich
eine Woche zuvor für uns weiter entspannt, weil der HSK
in der Bundesliga denkbar knapp die Klasse hielt und
damit die Anzahl der Landesligaabsteiger auf 2-3
eingegrenzt war. Ein Abstieg stand damit für uns nicht
mehr im Raum, während wir theoretisch noch aufsteigen
konnten, wenn wir drei Mannschaftspunkte auf Fischbek
aufholten.
Unsere Gegner am Sonnabend, die Mannschaft von HSK V,
haben zwar zwei Spieler im Kader, die schon beim letzten
Krönungszug in London am Leben waren (Wolfgang Schulz
sogar schon bei der letzten Krönung eines Königs im Jahr
1936), zum Einsatz kamen gegen uns aber ausschließlich
Spieler, die in diesem Jahrtausend geboren wurden. Die
gegnerische Mannschaft lag auf Platz 2, obwohl sie
mehrfach nicht einmal vollständig angetreten war und
hatte vor allem an den hinteren Brettern nahezu
durchgepunktet, so dass wir trotz der vergleichsweise
geringen Wertungszahlen gewarnt waren. Bei uns fehlte
Christoph, der am Vorabend im Stadion verfolgt hatte,
wie der HSV seine vermeintlich letzte Gelegenheit auf
den direkten Erstligaaufstieg mit einem 2:2 gegen
Paderborn ausließ und mir schon einige Wochen vorher
mitgeteilt hatte, dass die aus seiner Sicht gebotene
Nachbereitung eines solchen Ereignisses einer
konzentrierten Schachpartie am Folgetag im Wege stehe.
Holger F. und Peter komplettierten dafür die Mannschaft.
Meine eigene Partie ging gut los. Bevor ich meinen
zweiten (!) Zug machte, hatte ich als Schwarzer bereits
eine Position, die Stockfish als leicht besser für mich
einschätzte. Nach 6 Zügen besaß ich einen Bauern mehr,
dem mein Gegner einen zweiten hinterherwarf, um dafür
Angriffschancen zu erhalten. Auch Peter war mit Schwarz
gut in die Partie gekommen und erreichte in schon etwas
besser Stellung den ersten halben Punkt für uns. Nachdem
ich den Damentausch erzwingen konnte, kam wenig später
ein ganzer Punkt bei mir dazu. Kubi spielte gegen den
Zwillingsbruder von GM Luis Engel. Seinem Gegner gelang
es, die nötige Initiative zu entwickeln, um Kubis
Läuferpaar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Zwar
konnte Kubi zwischenzeitlich einen Bauern gewinnen, doch
erwies sich dieser Mehrbesitz als nicht von Dauer, womit
die Partie in einem glatt remisen Endspiel endete.
Holgers Stellung war optisch sehr ansprechend, weil er
zielgerichtet und chancenreich den König ins Visier
nahm. Im 20. Zug sieht der Rechner entscheidenden
Vorteil für Holger, doch erwies sich die Umsetzung unter
Figurenopfer als nicht durchschlagend, da sein Gegner
sich präzise verteidigte und Holgers Figuren am
Damenflügel zu weit vom Geschehen standen, um als
Nachschub in Betracht zu kommen. Im 29. Zug stellte
Holger zwar eine an sich undeckbare Mattdrohung auf, die
der Gegner aber dadurch parieren konnte, dass er selbst
zuerst mattsetzte. Friedrich gelangte in ein Endspiel
mit schlechtem Läufer gegen einen Springer, das er aber
problemlos halten konnte, da die Bauernstruktur ein
Eindringen der Könige wechselseitig verhinderte.
Zwischenzeitlich hatte er eine - allerdings gut
versteckte - Möglichkeit gehabt, ein gewonnenes Endspiel
zu erreichen. Jens war es mit Schwarz gut gelungen,
seinen Gegner, der zuvor 6,5 aus 7 erreicht hatte,
auszubremsen, bis dieser mit einem einfallsreichen
Qualitätsopfer zeigte, wieso er bis dahin eine so starke
Saison gespielt hatte. Die Partie gelangte damit in ein
spannendes Endspiel mit zwei Türmen von Jens gegen die
Dame und einen weit vorgerückten Freibauern, in dem Jens
die Chance ergriff, sich in einen Dauerschachmechanismus
zu retten, dem sein Gegner nur dadurch entkommen konnte,
dass er bis auf die blanken Könige alles Material vom
Brett nahm.
Damit spielten noch Matze, der nach einer sehr
optimistischen langen Rochade (nach 12 Zügen gibt mein
Stockfish +4.07 zugunsten des Gegners) sich gut
herausgewunden hatte. Nachdem er einen korrekten
Einschlag (Sxf2) in die gegnerische Königstellung fand,
hatte hatte auch Matze einige Chancen, mit einer
vorteilhaften Stellung zu verbleiben, landete aber in
einem Endspiel mit Springer gegen Läufer mit verteilten
Aussichten. Jan Hendrik spielte mal wieder den
verbesserten Killer-Angriff und fand sich mit dem
Läuferpaar gegen Läufer und Springer und etwas
günstigerer Bauernstruktur in einem aussichtsreichen
Endspiel.
Beim Stand von 3:3 und zwei Partien, die noch einige
Zeit dauern mochten, fand ich Zeit, einmal die anderen
Wettkämpfe zu betrachten. Die Diagonale, die am
Abschlusswochenende zweimal nur zu sechst und ohne Dänen
antrat, hatte schnell verloren und stand als erster
Absteiger fest. Im Duell zweier weiterer Mannschaften im
Abstiegskampf setzte sich Weiße Dame knapp mit 4,5:3,5
gegen Diogenes II durch. Auch Großhansdorf gegen HSK IV
sah zwei Mannschaften, die noch Abstiegssorgen hatten.
Hier siegte HSK IV knapp mit 4,5:3,5, weil es David
Geffrey Meier in einem lange verlorenen Endspiel mit
Minusqualität gelang, in eine bekannte Festung gegen den
vorgerückten h-Bauern zu entkommen. Am interessantesten
für uns war natürlich der Wettkampf der Fischbeker gegen
den SKJE II, der aber wenig Spannung aufwies. Beim Stand
von 4:2 hatte Fischbek noch mindestens ein Endspiel auf
dem Brett, das sie nicht mehr verlieren konnten. In
dieser Situation fragte mich Jan Hendrik, wie denn
unsere Ambitionen seien. Obwohl der Aufstieg praktisch
ausgeschlossen war, gab ich ihm vor im Hinblick auf die
oben beschriebene Einschätzung der verbliebenen
Stellungen vor, dass wir gewinnen wollen. Das hätte ich
besser nicht machen sollen, denn Jan Hendrik verstand
dies offenbar als Aufforderung, etwas zu riskieren,
womit er aber nur die gegnerischen Figuren aktivierte
und einen Bauern einbüßte. Matze gab seinen Springer,
weil er korrekt berechnet hatte, dass sein Freibauer den
Gegner früher oder später dazu zwingen würde, seinen
letzten Bauern aufzugeben. Jan Hendrik verlor noch einen
zweiten Bauern und musste zudem für den Rest der Partie
mit dem Inkrement auskommen, da ihm ansonsten keine Zeit
verblieben war. Glücklicherweise übersah sein Gegner,
der amtierende Hamburger Blitzmeister einen Abtausch,
nach dem Jan Hendrik alle verbliebenen gegnerischen
Bauern einsammeln konnte. Ein spannender Wettkampf war
damit 4:4 zu Ende gegangen. Jakob Kneip hatte Fischbek
in der Zwischenzeit mit einem Remis den Aufstieg
gesichert (passend zum Thema des Tages könnte man von
Jakobs Krönung sprechen), letztlich gelang ihnen sogar
noch ein 5,5:2,5-Sieg.
Ein paar Impressionen vom Wettkampf:
Holger Fabig (1957) - Tzun Hong Foo (1940)
Holger hat mit Weiß eine eigentlich undeckbare
Mattdrohung (Dh6-h7-h8) aufgebaut, doch sein Gegner war
schneller und beförderte Holgers König mit einer Serie
von Schachs aufs offene Feld. Jetzt steht ihm natürlich
bereits eine Vielzahl gewinnbringender Schachs zur
Verfügung (z.B. Tf1+, Da5+ oder Le4+). Mit 32... Dc5+
33.dxc5 Te5# entschied er sich für die ästhetischte
Lösung.
Faris Avdic (2100) - Jens Diekmann (2044)
Mit normalen Mitteln ist dem e-Bauern nicht mehr
beizukommen (42... Te2 43.Le5 +-; 42...Te1 43. Kh3 +-;
42...Kg8 43.Td7 Kf8 44.d5 Te2 45.Ld6+-). Jens Versuch
42...g5 genügte zwar, um den Gegner vom richtigen Pfad
abzubringen, war aber objektiv auch unzureichend. Der
Computer findet stattdessen eine spektakuläre Lösung:
42...Thg1! 43.e7 Txg3+ 44.Kf4 Th3!, denn nach e8D kann
man ja den König mit Txh4 auf die e-Linie zwingen und
erwischt dann die gerade entstandene Dame.
Da Huo (1943) - Matthias Peschke (2009)
56... Sxg4! ist zwar nicht der einzige, aber doch der
für einen Menschen am leichtesten zu berechnende
Remisweg. Nach 57.Lxg4 Kd4 58.Kg5 Ke3 fehlt Weiß jeweils
genau ein Tempo, um mit dem König zum eigenen oder zum
gegnerischen Bauern zu gelangen: 59.Kf5 a5 60.Ke5 bringt
zwar den König ins Quadrat, was ihm aber nichts hilft,
da er das Feld d4 nicht betreten darf, während nach
59.Kh4 a5 60.Kg3 a4 61.Kg2 a3 die Drohung a2 gerade
rechtzeitig kommt, um Weiß von Kf1 abzuhalten.
Ergebnis:
|
Hamburger SK
V |
4-4 |
SK Marmstorf |
1 |
1 |
Engel, Robert |
2132 |
½:½ |
Kuberczyk, Christoph
|
2286 |
1 |
2 |
2 |
Fuhrmann, Bahne |
2066 |
0:1 |
Hawellek, Dr. Jeronimo
|
2266 |
2 |
3 |
6 |
Klaas, Heiko |
1950 |
½:½ |
Müller, Jan
Hendrik |
2143 |
3 |
4 |
8 |
Avdic, Faris |
2100 |
½:½ |
Diekmann, Jens |
2064 |
5 |
5 |
10 |
Fuhrmann, Åke |
1998 |
½:½ |
König, Friedrich Theodor
|
1917 |
7 |
6 |
14 |
Da Huo |
1943 |
½:½ |
Peschke, Matthias |
2009 |
8 |
7 |
15 |
Tzun Hong Foo |
1940 |
1:0 |
Fabig, Holger |
1990 |
11 |
8 |
16 |
Lu, Yunong Elias |
1823 |
½:½ |
Anderberg, Peter |
1916 |
13 |
|